23. SONNTAG IM JAHRESKREIS

7. September 2014

Lesungen: Röm 13, 8-10 / Mt 15, 18-20

Gedanken zu den Lesungen:

Wir leben in einer Zeit, in der der Individualismus hoch angeschrieben ist: Der einzelne Mensch ist wichtig, er will sich selbst verwirklichen, er will sein Privatleben haben, wo er sich zurückziehen kann, das unantastbar ein soll. Niemand hat das Recht, dort einzudringen.

Andererseits spürt der einzelne Mensch, dass er sich selbst nicht genügt und nicht genügen kann. Er braucht andere, er braucht Anerkennung und Unterstützung. Deswegen taucht immer wieder das Zauberwort „Gemeinschaft“ auf.

Nun gibt es sehr viele Formen von Gemeinschaft: Eine Familie ist eine Gemeinschaft, ein Fußballverein kann eine Gemeinschaft sein. Das Gefühl der Gemeinschaft ist dort, wo verschiedene Menschen sich durch gemeinsamen Interessen miteinander verbunden wissen. Das gilt auch für eine Pfarrgemeinschaft, für eine Kirche. Hier fühlt man sich durch einen gemeinsamen Glauben an Gott, an Jesus, miteinander verbunden. Je stärker und wichtiger der Glaube der einzelnen Mitglieder dieser Gemeinschaft ist, umso stärker werden sie sich auch miteinander verbunden fühlen. Über diese Glaubensgemeinschaft redet nun sowohl Paulus in der ersten Lesung als auch Jesus im Evangelium.

Bei Paulus kommt es für uns Christen wesentlich nur auf eines an: Wir sollen einander lieben. Glauben wir das wirklich? Ist das nicht ein bisschen zu hoch gegriffen, unrealistisch? Das Wort Liebe ist für uns zu stark mit den unterschiedlichsten Vorstellungen und Erwartungen beladen. Vielleicht sollen wir das Wort „Liebe“ durch „Freundschaft“ ersetzen (denn Freundschaft ist eine Form der Liebe). Das heißt dann: Eine Pfarrgemeinde ist ein Freundeskreis von Menschen, für die Jesus Christus ganz wichtig ist, die seine Freunde sind und die deswegen auch miteinander befreundet sind (nach dem Prinzip: „Deine Freunde sind auch meine Freunde.“). „Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind“ (sich also auf mich berufen), „da bin ich mitten unter ihnen“, sagt Jesus. Dann sind wir alle miteinander verbunden, sind wir eine christliche Gemeinschaft.

Wenn nun die Mitglieder dieser Gemeinschaft diese innere Einstellung haben und wissen, dass sie einander immer diese Freundschaft schuldig sind, wie Paulus sagt, eben weil sie Freunde von Jesus sind, dann werden sie auch wissen, wie sie z.B. mit Mitchristen umgehen sollen, die sich in irgend einer Form schuldig gemacht, Unrecht getan haben.

Erstens ist es ja keine rein private Angelegenheit, wenn jemand aus der Glaubensgemeinschaft schuldig wird: das berührt die ganze Glaubensgemeinschaft und richtet ihr Schaden an, macht sie unglaubwürdig. Alles das, was Beziehung zerstört, darf dieser Freundeskreis nicht einfach hinnehmen. Das sind wir einander schuldig. Wie können wir dann vorgehen?

Zuerst ein Gespräch unter vier Augen (aus Respekt für den Schuldigen, den man nicht bloßstellen will. - Immerhin kennen wir auch zur Genüge Menschen, die meinen, an den anderen immer genau sehen zu können, was falsch, sündhaft oder womöglich "unkatholisch" ist.). Andererseits ist es einfacher, (wie es ja auch oft geschieht), die Betroffenen zu meiden oder nicht mit ihnen, sondern mit anderen über ihr falsches Tun zu reden. Das wird dann leicht „Klatsch und Tratsch“.

Wenn das direkte Gespräch unter vier Augen nichts bringt, sollen wir ein Gespräch im kleinen Kreis versuchen und nur wenn das nichts hilft, soll man den Fall vor die ganze Gemeinde bringen (in welcher Form auch immer).

Dieses Beispiel von Jesus ist natürlich kein Patentrezept, das wir eins-zu-eins übernehmen können, aber es illustriert, wie viel Mühe wir uns geben sollen, damit niemand aus diesem Freundeskreis ausgeschlossen wird. Wir sind füreinander verantwortlich, sollen uns umeinander kümmern, als Freunde von Jesus. Es braucht Geduld und langen Atem, um sich auf ein langes Ringen einzulassen. Aber Vorverurteilungen und unnötiges Auseinanderbrechen von Beziehungen können nur verhindert werden, wenn man dem anderen mehrmals eine neue Chance gibt. Es geht um einen befreienden Umgang mit der Schuld anderer, wobei der Schwerpunkt des heutigen Evangeliums sicher nicht auf dem Ausschluss von Menschen liegt.

Ein Beispiel von christlicher Gemeinschaft!

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